Herbstfärbung im Garten
Immergrüne Nadelbäume
Herbst in den Alpen: Aus den dunkelgrünen Wäldern leuchten wie goldene Kerzen die Lärchen hervor. Sie sind bekanntlich die einzigen heimischen Nadelbäume, die im Herbst ihre Blätter abwerfen. Alle anderen trotzen dem Winter. Dass sie es aushalten und vor allem wie sie das Leben unter diesen extremen Bedingungen meistern, ist eigentlich ein kleines Wunder. Ihre Blätter sind schmal und durch dicke Wachsschichten vor Verdunstung geschützt. Die Spaltöffnungen, die den Gasaustausch mit der umgebenden Luft regeln, sind klein und werden im Frühherbst noch fester geschlossen. All diese Wassersparmaßnahmen verhindern, dass der Baum bei gefrorenem Boden zu viel Wasser verdunsten und dadurch vertrocknen würde. Auch die Zweige sind gut für den Winter eingerichtet: sie sind nicht steil nach oben gerichtet, sondern hängen herab und sind zudem noch sehr elastisch. So kann ihnen auch der Schnee nicht viel anhaben. Allerdings ersetzen auch die Nadelbäume ihre Blätter von Zeit zu Zeit. Die Nadeln der Fichte beispielsweise haben eine Lebensdauer von fünf oder sechs Jahren, pro Jahr rieselt somit eine geschätzte Million pro Baum auf den Waldboden.
Sommergrüne Laubpflanzen
Die Laubbäume und -sträucher können da nicht mithalten, obwohl oder gerade weil sie hocheffiziente Blätter besitzen. Diese sind sehr dünn und nur durch eine leichte Wachsschicht geschützt.
Wasserdampf und Gase wie Sauerstoff und Kohlendioxid können leicht durch die großen Spaltöffnungen, die bei Laubbäumen meist an der Unterseite der Blätter sind, ein- und austreten. Und mit ihrer Größe nutzen die Blätter auch das Sonnenlicht optimal aus. So ausgerüstet sind die Laubblätter während der warmen Jahreszeit den Nadeln haushoch überlegen. Nach dem Ende des Höhen- und Dickenwachstums und nach der Ausbildung der Knospen für den nächsten Frühling haben sie aber ihre Aufgabe erfüllt. In unseren Breiten kann die Pflanze sie nicht über den Winter retten und muss sie daher abwerfen.
Immergrüne Laubpflanzen
Sie bilden eine Ausnahme. Bei ihnen sind die Blätter so raffiniert gebaut, dass sie die Härten unseres Winters aushalten können. Nach einigen Jahren werden aber die einzelnen Blätter ausgetauscht: bei der Stechpalme (Ilex) zum Beispiel passiert dies sogar alle zwei Jahre!
Buchen, Eichen, Ahorne und alle anderen Laubbäume müssen also ihre Blätter abwerfen. Damit der Verlust für sie nicht ganz so groß ist, „retten“ sie vorher noch deren wertvollste Bestandteile. Chlorophyll, der grüne Farbstoff der Pflanzen, ist chemisch mit dem Hämoglobin des Menschen und der Tiere verwandt.
In der Mitte des großen Moleküls befindet sich ein Magnesium-Atom. Dieses und noch einige andere Teile des Chlorophylls holt sich die Pflanze zurück, bevor sie die Blätter fallen lässt, ein Vorgang, den Groß und Klein als Herbstfärbung kennen. Jedes Chlorophyll-Molekül wird in den Zellen zerlegt und die kostbaren Stoffe werden aus dem Blatt abtransportiert. Sie werden in anderen Teilen der Pflanze gelagert und eingebaut. Mit dem Zerlegen des Moleküls verlieren die Blätter allerdings auch ihre grüne Farbe, sie vergilben. Übrig bleiben andere Farbstoffe, die bis dahin zwar im Blatt vorhanden, vom Grün aber überdeckt waren: Xanthophylle (gelb), Karotinoide (orange bis orangerot) und vor allem bei rotlaubigen oder dunkellaubigen Arten (zum Beispiel Blutbuche) auch Anthocyane (rot). Diese Verfärbung ist ein allmählicher Prozess. Mitte bis Ende September beginnt das herbstliche Schauspiel und dauert bis in die ersten Novembertage. Nach und nach verschwindet das Grün und der Wald putzt sich prächtig heraus.
Nochmals rot
Noch viel prächtiger als bei uns in Europa ist der Herbst in Ostasien oder in Nordamerika. In Asien sind es die Sumach-Arten (Rhus) und in Kanada die verschiedenen Ahorne (Acer), die die Landschaft in flammendes Rot tauchen. Hier spielt noch ein anderes Phänomen mit, die Rotfärbung ist daher weit komplizierter zu erklären als gelbe oder orange Töne. Einerseits kann sie durch das Verblassen des Grüns („Vergilben“) sichtbar werden. Andererseits kann das Rot aber auch erst im Herbst gebildet werden. Manche Pflanzen sind bei sinkenden Temperaturen dazu befähigt, rote Farbstoffe (Anthocyane) auszubilden. Neben Sumach und Ahorn gehören noch unsere Weinrebe (Vitis vinifera), der Wilde Wein (Parthenocissus quinquefolia und Parthenocissus tricuspidata ‘Veitchii’) dazu. Auch der rote Hartriegel (Cornus sanguinea) und die Heidelbeere (Vaccinium myrtillus) tragen ein eigens angefertigtes, leuchtend rotes Herbstkleid.
So schön bunt – warum?
Das Vergilben hat eine einleuchtende Ursache: Die meist gelben, seltener orangen oder rötlichen Farben werden erst nach dem Abbau des Chlorophylls sichtbar. Der biologische Sinn der leuchtenden Rotfärbung ist hingegen umstritten. Eine mögliche Erklärung: Der Herbst ist die Zeit der Früchte. Vögel, die ausgesprochene Augentiere sind, sollen durch die roten Blätter auf die Früchte aufmerksam gemacht und angelockt werden. Wenn sie die Beeren fressen, tragen sie zur Verbreitung der Pflanze bei. Manche Samen keimen überhaupt erst, wenn sie den Darm eines Tieres passiert haben und ihre äußeren Hüllen durch Magensäure und Bakterienflora angenagt wurden.
Abfallstoffe
Eine angenehme Begleiterscheinung für die Pflanze ist die Möglichkeit, in den Blättern Schadstoffe und Gifte loszuwerden. Für die meisten Bäume und Sträucher ist diese Entsorgung aber wirklich nur ein angenehmer Nebeneffekt. Der Hauptgrund für den Laubfall bleibt natürlich die unabänderliche Tatsache, dass diese Pflanzen den Winter nur ohne ihre Laubblätter überstehen können. Pflanzen auf extremen Standorten wie Salzböden oder Böden, die mit Schwermetallen belastet sind (egal, ob natürlichen oder künstlichen Ursprungs), nehmen diese Gelegenheit gerne wahr oder machen sogar sehr ausführlich davon Gebrauch. Sie werfen mit den Blättern allerlei Ballast ab.
Trennung
Es ist Ende Oktober. Die Farben sind schon ein wenig erloschen. Ihnen fehlt das Leuchten, das sie noch ein paar Tage zuvor hatten, als die Sonne ihre letzten warmen Strahlen auf die Erde schickte. Wenn der Wind durch die Bäume fährt, hört man jetzt wieder das raschelnde Geräusch der trockenen braunen Blätter, das den Sommer über fast schon in Vergessenheit geraten war. Die Kronen und Büsche lichten sich, es genügt oft schon ein kleiner Windhauch, um die Blätter von den Ästen zu lösen.
Am Grunde des Laubblattes, am Ende des Blattstieles, hat sich eine Korkschicht zwischen Blatt und Zweig gebildet. Die Leitungsbahnen wurden getrennnt und damit die Verbindung abgebrochen. Ohne Wassernachschub beginnt nun das Blatt zu vertrocknen und fällt schließlich an einer vorbestimmten Stelle im Korkgewebe ab. Zurück bleibt eine Blattnarbe. Der Kork verschließt die an dieser Stelle des Zweiges sonst offen liegenden Gefäßbündel und verhindert so, dass Krankheits- oder Fäulniserreger eintreten können.
Der Wind, der Wind ...
Die herbstlichen Stürme und der prasselnde Regen holen die letzten Blätter von den Bäumen und Sträuchern. Über Nacht sind die Zweige kahl und die Farbenpracht ist zu Ende. Der Wind wirbelt die abgestorbenen, trockenen Blätter im Kreis und häuft sie dann am Wegesrand an. Er verbreitet aber auch die Samen, die ob ihrer Leichtigkeit oft, wie bei der Birke, kilometerweit getragen werden können.
Im Frühjahr wird von den Laubmassen kaum noch etwas zu sehen sein. Pilze, Bakterien und andere Bodenorganismen werden sie zerkleinert, zerlegt und umgewandelt haben. Die Stoffe kehren wieder zurück in den Kreislauf des Lebens.
Alice Thinschmidt
Mit freundlicher Genehmigung der Unser Garten Verlagsgesellschaft mbH., Kaiserstr. 77, 66133 Saarbrücken-Scheidt, Tel. 0681 / 81 20 40, Fax 0681 / 81 20 25. Erschienen in den Oktober-Ausgaben 2003 der Verbandszeitschriften „Unser Garten“, „Der Hessische Obst- und Gartenbau“ und „Ratgeber für den Gartenliebhaber“.