Herbst

Obstbaum-Winterschnitt

Hochstamm-Rundkrone

Obstbaum-Winterschnitt

Ein Obsthochstamm mit seiner ausladenden Krone sieht aus wie natürlich gewachsen. In Wirklichkeit legt man die Kronenform schon mit dem Pflanzschnitt fest und muss sie dann konsequent erziehen. Das Obstgehölz braucht sein ganzes Leben lang Pflege. Schnittmaßnahmen legen den Kronenaufbau fest und beeinflussen Baumstatik, Lebensdauer, Erntemenge und Qualität. Vor dem ersten Schnitt, dem Pflanzschnitt, muss man sich klar machen, was für ein Obstgehölz mit welcher Wuchsstärke man vor sich hat und welche Kronenform angestrebt wird. Das Pflanzmaterial sollte bereits geeignete Ansätze für das angestrebte Erziehungssystem zeigen.
Für Halb- und Hochstämme sind 3 bis 4 ausreichend starke Seitentrieben in sternförmig versetzter Anordnung und möglichst schon im idealen Winkel von 60° zur Stammverlängerung vorteilhaft. Eine gerade Stammverlängerung und ein Wurzelwerk mit hohem Feinwurzelanteil sind ebenfalls wichtig.

Entwicklungsphasen

Je nach Lebensalter des Obstgehölzes und Zielsetzung der Maßnahme unterscheidet man Pflanzschnitt, Erziehungsschnitt, Erhaltungsschnitt, Auslichtungsschnitt und Verjüngungsschnitt. Ebenso unterscheidet man 3 Entwicklungsperioden des Baumes, die unterschiedliche Behandlungen erfordern:

  • Jugendphase: Hier steht das Triebwachstum im Vordergrund. Der Baum befindet sich noch in der Erziehungsphase. Hauptziel ist die Ausbildung einer optimalen Krone und die Überführung in die Ertragsphase. Pflanzschnitt und Erziehungsschnitt finden Anwendung.
  • Ertragsphase: Die Krone ist voll entwickelt, es bildet sich vermehrt Fruchtholz. Die Krone ist zu überwachen. Regelmäßiges, maßvolles Auslichten und Entfernen des abgetragenen Fruchtholzes ist besonders wichtig. Diese Funktion übernimmt der Erhaltungsbzw. Überwachungsschnitt.
  • Altersphase: Die Vitalität des Baumes lässt mehr und mehr nach. Besonders der Triebzuwachs ist sehr gering.

Durch rechtzeitigen Verjüngungsschnitt lässt sich diese Phase beträchtlich hinauszögern. Bei fehlender Verjüngung setzt die Altersphase zu früh ein.

Wachstumsgesetze

Beim Schneiden der Obstgehölze muss man sich immer die Reaktion auf den Eingriff vor Augen halten. Das Gleichgewicht zwischen Wachsen und Fruchten muss stimmen. Eine gute Orientierungshilfe zum besseren Verständnis der Wachstumsvorgänge in der Krone geben die Wachstumsgesetze:

  • Oberseitenförderung: Bei waagerechter Stellung eines Astes treiben die Knospen auf der Oberseite gleichmäßig schwach aus und bilden sich in idealer Weise zu Blütenknospen um. Dieses Wissen macht man sich beim Waagerechtbinden von Trieben zu Nutze.
  • Spitzenförderung: Die Triebspitzen fordern den meisten Saft und damit auch Nährstoffe. Sie sind stark triebgefördert. Bei Steilstellung eines Astes treiben die oberen Knospen stark aus, die unteren verkümmern. Daher wird beim Pflanzschnitt angeschnitten, um die unteren Knospen zum Austreiben anzuregen und Verzweigung zu erzielen.
  • Scheitelpunktförderung: Hier ist der höchste Punkt der Scheitelpunkt und damit sind die Knospen, die sich dort befinden, triebgefördert. Dies ist zu beobachten, wenn ein Trieb bogenförmig, statt waagerecht, abgebunden wird. Auf der Oberseite des Bogens bilden sich stärkere Triebe (Reiter).
  • Basisförderung: Wenn ein Ast sich weit nach unten neigt und seine Basis den höchsten Punkt darstellt, ist hier die Triebbildung am stärksten ausgeprägt. So hilft sich die Natur selbst: Wird ein Ast durch die Fruchtlast immer mehr nach unten gedrückt, bildet sich an seiner Basis ein neuer Trieb, der seine Funktion übernehmen soll. Dieser Beobachtung trägt die Praxis durch den Kippschnitt zur Verjüngung Rechnung, bei dem abgetragene Fruchtäste auf diese Basistriebe zurückgenommen werden.

Eine weitere wichtige Gesetzmäßigkeit ist die Auswirkung des Rückschnitts. Durch starken Rückschnitt eines Triebes erreichen wir einen starken Austrieb der wenigen verbleibenden Knospen. Dies findet besonders beim Pflanzschnitt Anwendung, wenn Verzweigung erzeugt werden soll. Ein schwacher Rückschnitt bewirkt einen schwachen Austrieb aus vielen verbleibenden Knospen, die sich teilweise zu Fruchttrieben entwickeln.

Erziehungsschnitt

Eine Rund- oder Vierastkrone ist dann empfehlenswert, wenn gewichtsmäßig große Mengen Obst anfallen. Die Krone benötigt einen Aufbau (Statik), der das Gewicht tragen kann und für optimale Belichtung sorgt. Dies ist in der Regel bei Hoch- und Halbstämmen der Fall. Die Rundkrone weist in der Regel 4 Gerüstäste auf, nämlich 3 Seitenäste und die Stammverlängerung. Vor dem Pflanzschnitt sucht man 3 Seitenäste als Leitäste heraus, die in idealer Weise im Raum (mercedessternartig) verteilt sein sollten. Auch sollte sollten. Auch sollte der Ansatz der Leitäste am Stamm etwas höhenversetzt sein (keine Quirlbildung). Konkurrenztriebe und überflüssige Triebe werden entfernt. Die Leit- oder Gerüstäste sollten nicht zu steil stehen – ein Winkel von 45 bis 60° ist optimal. Durch Abspreizen mit Spreizhölzern lässt sich der Leitastwinkel korrigieren. Erst dann werden die Seitenäste, beim schwächsten beginnend, um wenigstens 1/3 zurückgeschnitten. Man wählt eine Knospe, die nach außen zeigt. Die Seitenäste sind auf gleicher Höhe (Saftwaage) anzuschneiden, jedoch etwa eine Scherenlänge unterhalb des Mitteltrieb-Anschnittes. Ist der Mitteltrieb deutlich kräftiger als die Seitentriebe, sollte er unbedingt stärker zurückgenommen werden. Durch zu hohes Anschneiden (zu lang lassen) der Gerüstäste oder der Stammverlängerung kommt es häufig zu Kahlstellen, d.h. zu einer schlechten Garnierung. Die Gerüstäste entwickeln sich dann zu schwach und sind ihrer späteren Aufgabe nicht gewachsen. Der Kronenaufbau hat in den ersten Jahren oberste Priorität. Das Waagerechtbinden der für den Kronenaufbau nicht benötigten Triebe sollte nur erfolgen, wenn die Kronenentwicklung nicht beeinträchtigt wird, ansonsten schneidet man die überflüssigen Triebe weg. Hat der Pflanzschnitt seine gewünschte Wirkung gezeigt und sind die Leitäste und der Mitteltrieb ausreichend garniert, ist im darauf folgenden Jahr nochmals die Leitaststellung zu überprüfen. Bei zu steiler Stellung wird die Krone zu dicht und die unteren Astpartien verkahlen. In diesem Fall sollte man die Leitäste abspreizen. Durch den Rückschnitt im Vorjahr sind Konkurrenztriebe an Stammverlängerung und Gerüstästen entstanden. Die Leitast- und Stammverlängerungen sind freizustellen und nochmals anzuschneiden. Ein oder zwei Triebe können waagerecht gebunden werden. Triebe nie nach innen, sondern immer nach außen binden. Diese jährliche Behandlung (Erziehung) des Jungbaumes wird so lange fortgesetzt, bis eine ausreichend starke Krone entstanden ist.

Erhaltungsschnitt

Ist der Erziehungsschnitt abgeschlossen, werden keine Gerüstäste mehr angeschnitten. Dies ist, je nach Baumentwicklung, nach 3 bis 6 Jahren der Fall. Die Rundkrone muss jedoch nach der Erziehungsphase überwacht (erhalten) werden. Zunächst ist das älter als dreijährige, stark nach unten hängende Fruchtholz zu entfernen. Im oberen Kronenteil ist genauestens darauf zu achten, dass zu starke, steilstehende Triebe entfernt werden. Sie müssten gar nicht entstehen, wenn man sie in einer früheren Phase entweder gebunden oder beim Juniriss entfernt hätte.

Rolf Heinzelmann, LOGL

Artikel aus Obst&Garten (1/2004), mit freundlicher Genehmigung Verlag Ulmer, Stuttgart.

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