Päonien im Garten
Volksnahe Majestäten
Dass selbst eingefleischte Antimonarchisten schwach werden beim Anblick der kaiserlichen Blume, belegt ein Blick in die Geschichte Chinas. Nach der Kulturrevolution war dort die Päonie verpönt. Als Attribut des Kaiserhauses lehnte das Politbüro die Abbildung und den Anbau von Päonien ab. Doch Volkeswille war stärker.
Die abgelehnte Blume überdauerte in vielen Gärten und zahlreiche Chinesen hielten ihr die Treue. Sicher auch deshalb, weil sie Wohlstand, Glück und Reichtum symbolisierte. Päonien wurden gemeinsam mit Schicksalsknoten in der bildenden Kunst des Reiches der Mitte dargestellt. Wohl auch wegen ihres verheißungsvollen Symbolgehaltes waren Päonienpflanzen beliebte Geschenke zu Hochzeiten oder zur Geburt eines Kindes. So konnte sich die chinesische Führung dem Zauber der überaus beliebten Blume nicht entziehen und sanktioniert sie schon seit langem nicht mehr.
Strauchpäonien
Die Päonienart, die seit jeher in China diese überaus hohe Bedeutung hat, ist die Strauchpäonie (Paeonia suffruticosa). Mittlerweile ist sie auch in Europa äußerst populär geworden. Kein Wunder – ihre teller- bis schüsselgroßen Blüten suchen ihresgleichen. Sie sind meist locker bis halb gefüllt und ihre seidigen Blütenblätter schillern in fast allen Farben:Weiß, Rosa, Purpur, Glutrot, Ochsenblutrot, aber auch Gelb und Violett. Oft ist die Basis der Petalen dunkel markiert und bildet so einen sehr schönen Kontrast zu den meist goldgelben Staubgefäßen. Strauchpäonien brauchen viel Platz und einen ausgesuchten Standort. Genug Sonne und eine hinreichend gute Erde ohne Wurzeldruck von Bäumen sind unbedingte Voraussetzung. Außerdem dürfen sie nicht allzu exponiert gesetzt werden. Da sie früh austreiben, sind kalte Februar- und Märzwinde eine Gefahr für die neuen Blätter und Knospen. Zwar wird kaum eine eingewachsene Pflanze durch Frost zerstört, doch Minustemperaturen können die Blüte eines Jahres dahinraffen, da die Knospen bereits im Jahr vor der Blüte ausgebildet werden und sich im Frühling lediglich strecken. Doch so weit muss es nicht kommen: Einen geschützten Platzwird man in jedem Garten finden, etwa in einem Gebäudewinkel oder in der Nähe von Immergrünen oder Hecken, die kalte Winde brechen. In sehr kalten Gegenden legt man eine feste Bast- oder Bambusmatte zurecht, die als Windschirm gute Dienste leistet.
Pflanzung und Pflege
Strauchpäonien (man nennt sie ärgerlicherweise auch Baumpäonien, obwohl sie keinen Stamm ausbilden) sind Gehölze. Ihre Triebe überwintern über der Erde, an ihnen treiben weitere neue Triebe aus – ähnlich wie bei Rosen. Eine weitere Ähnlichkeit: Strauchpäonien werden veredelt. Da die meisten Sorten sich auf der eigenenWurzel nur schlecht etablieren, benötigen sie dieWurzeln der Staudenpäonie (P. lactiflora). Bei der Pflanzung gehört die Veredlungsstelle etwas unter die Erde. Man braucht viel Geschick und ein versiertes Auge für den richtigen Zeitpunkt der Veredlung, um wüchsige Resultate zu erzielen. Vielleicht ist es das Jahrhunderte alte Wissen um diese Kulturtechniken, weshalb die meisten Strauchpäonien aus Fernost importiert werden. Das Problem vieler deutscher Anbieter besteht darin, dass die Sorten nicht immer echt sind. Besonders bei Massenvermarktungen würde ich nur blühende Pflanzen in einem Top-Zustand erwerben. Bei renommierten Anbietern (Klose/Lohfelden, Zeppelin/Sulzburg u.v.m.) hingegen kann man sich auf die Beschreibungen im Katalog zumeist verlassen und die Pflanzen per Post bestellen. Beachten Sie bei der Pflanzung, dass Strauchpäonien sehr viel Platz benötigen! Auch wenn sie langsam wachsen – sie erreichen mit den Jahren den Umfang etwa einer Forsythie. Nach der Blüte im Mai/Juni erfeut uns die Pflanze mit blaugrünem, gebuchtetem oder geschlitztem Laub und einem eleganten Habitus. Strauchpäonien sollten während der Blütezeit konkurrenzlos wirken. Sehr früh oder sehr spät blühende Gruppen oder Polsterpflanzen sind die besteWahl als Partner.
Kostbare Sträucher
Es ist bei den Strauchpäonien, als ob man einen unerforschten Kontinent entdeckt. Besonders die amerikanischen und japanischen Züchtungen sind Atem beraubend. Zum Teil blühen die üppigen Sträucher über sechs Wochen. Es darf nicht verschwiegen werden, dass eine gute Qualität einer begehrten Sorte ihren Preis hat. Das hängt mit der komplizierten Vermehrbarkeit und dem langsamen Wachstum der Strauchpäonien zusammen. Aber immerhin: Diese Pflanzen sind eine Anschaffung für das ganze Gärtnerleben. Und ebenso wie bei der Wahl eines guten Geschirrs oder Möbelstückes sollte man weniger auf den Preis achten, als auf Qualität. Oder mit anderen Worten: Strauchpäonien kauft man nicht „bei Gelegenheit“, sondern plant sie liebevoll ein und spart gegebenenfalls darauf hin. Sie wissen es zu schätzen!
Wildarten
Auch die Wildarten können ihren Adel nicht verleugnen. Bei den Sträuchern ist es die wunderschöne einfach blühende gelbe P. lutea. Sie hat fantastisch geschlitztes, hell-blaugrünes Laub, wächst leicht 2 m hoch und vergleichsweise schmal. Besonders eindrucksvoll wirkt die anmutige Blüte, wenn man sie ein wenig von unten betrachten kann. P. mloskewitschii ist eine Staudenpäonie. Das bedeutet, dass sie vollständig im Herbst abstirbt, um im Frühjahr wieder von Grund auf auszutreiben. Diese Päonie blüht in einer einfachen Schale – und zwar ebenfalls in einem schönen, blassen Gelb. Diese Farbe hat sie an ihre berühmte Tochter ‘Claire de Lune’, eine begehrenswerte Kreuzung mit der Chinesischen Staudenpäonie (P. lactiflora) ‘Monsieur Jules Elies’, vererbt.
Staudenpäonien
Das sind hierzulande wohl die verbreitetsten Päonien. Aus China stammend, sind sie längst zum unverzichtbaren Inventar langlebiger Gärten geworden. Sie bilden robuste und sehr dauerhafte Büsche, die im Mai/Juni blühen. Als Schnittblumen sind die dicht gefüllten Sorten sehr begehrt. Im Garten erweisen sich die schweren Blüten jedoch nicht immer als ideal. Besonders bei heftigen Regenfällen kippen sie vornüber, wenn sie nicht aufgebunden werden. Besonders wichtig bei gefüllten Formen ist es, standfeste Sorten wie ‘Kansas’, ‘Lord Kitchener’ (beide rot), ‘Miss Eckhard’ (zartrosa) oder ‘Shirley Temple’ (milchweiß) auszuwählen. Einfache Sorten lassen sich dagegen wesentlich leichter in Beete integrieren. Ihre falterleichten Blüten brauchen keine Stützen und harmonieren vortrefflich mit den meisten Nachbarstauden. Besonders schöne Sorten sind ‘Nymphe’in leuchtendem Rosa und ‘Krinkled White’ mit weißen, leicht gewellten Blütenblättern. Sie wirkt sehr charmant und naturhaft. Ebenfalls weiß und einfach blüht ‘Le Jour’, doch diese Sorte hat einen anderen Charakter. Während ‘Krinkled White’ locker wirkt, bildet ‘Le Jour’ eine fantastische weiße Schale mit goldenen Staubgefäßen und tiefroten Stempeln. Solche Sorten machen überdeutlich, wie kostbar auch die einfachen Sorten sind.
Heimische Päonien
Nicht alle Päonien stammen aus dem Land des Lächelns. Auch in Europa haben sie Tradition. Besonders die Sorten von P. officinalis sind seit der Antike bekannt. Schließlich hat die Pflanzengattung ihren Namen von Paeon, dem sagenhaften antiken Wunderheiler, der sogar Göttern wieder auf die Beine half. Der Pflanze wurden große Heilkräfte nachgesagt. Nachdem das Christentum im Abendland dominierte, wurde die Päonie zur „Rose ohne Dornen“ und somit gemeinsam mit Akelei und Lilie zur Blume der Madonna. Durch ihre Blüte zum Pfingstfest ließen sich mittelalterliche Mystiker zuVergleichen der vielen roten Blütenblätter mit den Feuerzungen des Heiligen Geistes inspirieren. So wurde aus der Blume des Götterheilers am Ende die Blume des Heiligen Geistes: die Pfingstrose. Die bekanntesten Pfingstrosen blühen gefüllt und tiefrot (=‘Rubra Plena’), doch es lohnt sich auch, nach rosa oder weiß blühenden Sorten Ausschau zu halten. Sie alle blühen vor den Chinesischen Päonien. Die Päonie bewahrt uns davor, zu viel herum zu probieren, weil sie Umpflanzen nicht mag. Daher stets vorher überlegen, wo welche Päonie gepflanzt werden soll – und erst nach guter Prüfung die richtige Sorte pflanzen. Sie sind es Wert, dass man sich Gedanken um sie macht – und danken es durch Treue und immer größer werdende Schönheit.
Andreas Barlage, Portawestfalica
Artikel aus Obst&Garten (9/2003), mit freundlicher Genehmigung Verlag Ulmer, Stuttgart.