Qualitätsdestillate
Besser als Williams
Das Maß aller Dinge ist bei solchen aromareichen, sortenreinen Qualitätsdestillaten die Birnensorte ‘Williams Christ’. Ihr Aroma bezeichnet Dr. Thomas Senn vom Fachgebiet Gärungstechnologie in Hohenheim allerdings als sehr einseitig. Einige heimische Streuobstsorten hätten bei sorgfältigem Umgang mit den Früchten und richtiger Handhabung beim Einmaischen und Brennen ein vielleicht weniger starkes, aber dafür vielseitigeres Aroma. Bei einer Verkostung von 5 Birnen- und 4 Apfelbränden mussten ihm die Beteiligten Recht geben.
Ernte und Verarbeitung
Sorgfältiger Umgang mit der Frucht bedeutet gezielte Ernte mit entsprechender Ausreifung. Wer darauf wartet, bis die Birnen oder Äpfel von selbst von den Bäumen fallen und sie erst aufliest, wenn sich bereits Fäulnis und Wespen eingenistet haben, kann auch bei sorgfältigem Brennen kein Qualitätsdestillat erwarten. Deshalb empfiehlt sich das Abschütteln und sofortige Auflesen mit anschließendem sauberen Einmaischen. Auf diese Weise können von 100 kg Obst durchaus Qualitäts-Ausbeuten von 4 bis 5 Liter Alkohol aus dem Mittellauf des jeweiligen Brandes erwartet werden. Optimale Reife und saubere Verarbeitung sind dasAund O, um das volle Aroma zu gewinnen.
Geeignete Birnensorten
Bei der Verkostung in Hohenheim war unter den Birnen die ‘Wahlsche Schnapsbirne’ eindeutige Siegerin. Sie gehört zu den jungen Sorten im Streuobstanbau. In den 80er Jahren hat sie der Brenner Wahl aus Hessental bei Schwäbisch Hall entdeckt. Inzwischen ist sie in den Baumschulen erhältlich. Die ‘Wahlsche Schnapsbirne’ gehört zu den frühreifen Sorten mit einem relativ hohen Fruchtgewicht von über 60 g und einem mittleren Zuckergehalt von rund 55 °Oe. Sie hat ein sehr ausgeprägtes und ausgewogenes Aroma, das an ‘Williams Christbirne’herankommt. Gleichzeitig hat sie einen um 10 % höheren Zuckergehalt als ‘Williams’ und ist im Gegensatz zu ihr sehr robust. Ebenfalls konkurrenzfähig mit ‘Williams’ ist die ‘Nägelesbirne’, die schon im August reift, ein Fruchtgewicht von über 90 g und einen relativ guten Zuckergehalt von knapp 60 °Oe aufweist. Etwas schwächer im Aroma, aber trotzdem noch gut geeignet für Qualitätsdestillate ist die ‘Wilde Eierbirne’. Sie ist in der Regel erst im Oktober reif, hat ein Fruchtgewicht von etwas über 60 g und einen Zuckergehalt nahe 60 °Oe. Als weniger geeignet für die Gewinnung aromareicher Qualitätsdestillate erwiesen sich in Hohenheim die ‘Karcherbirne’ und die ‘Welsche Bratbirne’. Nicht bei der Hohenheimer Verkostung vertreten, aber nachAussagen von Dr. Thomas Senn durchaus für die Gewinnung von sortenreinen Qualitätsdestillaten zu empfehlen ist die alt bekannte ‘Palmischbirne’. Sie wird relativ früh geerntet, liegt im Ertrag leicht über dem Durchschnitt, hat ein durchschnittliches Fruchtgewicht von 57 g und bleibt im Zuckergehalt mit 59 °Oe leicht unter dem Durchschnitt.
Dr. Thomas Senn
setzt bei Qualitätsdestillaten
auf optimale Fruchtreife
und saubere Verarbeitung
Foto: Maurer
Aromatische Apfelsorten
Von den 10 in das Hohenheimer Forschungsprojekt einbezogenen Apfelsorten aus Streuobstanbau hat ‘Gravensteiner’ bei der Verkostung am besten abgeschnitten. Er liefert ein sehr angenehmes Apfelaroma. Die Sorte bringt relativ gute, aber unregelmäßige Erträge bei einem Fruchtgewicht von 120 g und einem relativ guten Zuckergehalt von 53 °Oe. Ein ähnlich feinesAroma liefert die ‘Muskatellerluike’, die wie ‘Gravensteiner’ im Ertrag gut abschneidet, allerdings mit durchschnittlich 102 g kleiner ausfällt. Der Zuckergehalt liegt mit 48 °Oe deutlich unter dem Durchschnitt. Eine verlässliche Streuobstsorte ist der ‘Bohnapfel’, der ein durchschnittliches Fruchtgewicht von 77 g erreicht und im Zuckergehalt mit 54 °Oe überdurchschnittlich abschneidet. Auch sein Aroma empfiehlt sich noch für die Gewinnung sortenreiner Qualitätsdestillate. Eine Besonderheit war bei der Verkostung das Destillat aus der schorfresistenten Apfelsorte ‘Rebella’, die ebenfalls ein typischesApfelaroma zeigt. Die mittelfrühe Sorte liefert recht gute Erträge bei einem hohen Fruchtgewicht bis 170 g und weist einen günstigen Zuckergehalt von 53 °Oe auf.
Heinrich Maurer, Stuttgart
Artikel aus Obst&Garten (12/2002), mit freundlicher Genehmigung Verlag Ulmer, Stuttgart.