Schnitt und Erziehung von Beerenobst
Obstbau

« Brombeerhecke fügt sich idyllisch in diese Gartenszene ein
Strauchbeerenarten müssen ebenso wie Baumobst jedes Jahr geschnitten werden. Nur dadurch sind gute Fruchtqualitäten, ausgeglichene Erträge und ein gut durchlüfteter Bestand zu erreichen. Viele der in den vergangenen Ausgaben erläuterten Schnittregeln können hierbei übertragen werden. Bedeutsam ist, dass Strauchbeeren ein basitonisches Wuchsverhalten besitzen: sie bilden ständig Neutriebe aus der Basis, aus dem Wurzelhalsbereich der Stöcke, die dadurch gut verjüngt werden können.
« Das Entfernen von flachen, niederliegenden Trieben betont einen straffen Wuchscharakter
Jüngere und ältere Triebe unterscheiden sich u.a. an der Triebfarbe: jüngere sind heller, kaum verzweigt – ältere dunkler, teilweise mit Flechten besetzt und verzweigt.
Straucherziehung von Johannis- und Stachelbeeren …
…ist die früher übliche, heute auch noch überwiegend praktizierte Art der Kultivierung. Eine gute Pflanzqualität besteht aus 5 bis 7 Trieben, die bei wurzelnackter Ware um knapp die Hälfte abgeschnitten werden. Die in Containern angezogenen Jungpflanzen sollten ebenfalls, jedoch nur leicht, eingekürzt werden. Schwache bzw. quer wachsende Triebe werden ganz herausgenommen. Bei Jungpflanzen mit nur 2 bis 3 Trieben empfiehlt es sich, diese auf 3 bzw. 2 Augen stark zurückzunehmen, sodass im folgenden Jahr daraus 6 Triebe entstehen. Eine teurere Jungpflanze mit vielen Trieben bringt somit einen Wachstumsvorsprung von 1 Jahr. Ein weiterer Tipp: auf wuchsschwachen Standorten (leichte, humusarme Böden) sollten Johannis- und Stachelbeeren etwa 5 cm tiefer gepflanzt werden, um die Regeneration aus dem Wurzelbereich zu fördern.
Schwarze Johannisbeere:
die Anzahl Neutriebe muss drastisch reduziert werden
Einkürzen anstatt Auslichten –
falsche Schnittmaßnahme!
« Roter Johannisbeerstrauch vor dem Schnitt …
In den folgenden Jahren ist jährliches Auslichten nach der Ernte oder ausgangs des Winters angesagt! Es werden 2 bis 3 der ältesten Triebe ebenso direkt über dem Boden abgeschnitten wie zu viele (mehr als 3 bis 4) junge, unverzweigte Bodentriebe, die oft weißlich abschiefernde Rindenfetzen aufweisen. Ab dem 2. Jahr bilden sich Seitentriebe, die nur bei einer größeren Länge als 30 cm auf 10 bis 20 cm eingekürzt werden können. Insgesamt sollten Stachelbeeren aus 6 bis 8, Johannisbeeren aus 8 bis max. 10, nicht eingekürzten 1- bis 4-jährigen Haupttrieben bestehen. Sind diese zu lang, so lassen sie sich durch Ableiten auf eine tiefere, nach außen wachsende Seitenverzweigung reduzieren.
« … und nach dem Auslichten
Mit dieser Anleitung erhalten Sie einen locker aufgebauten, standfesten Busch. Triebe die quer oder flach über dem Boden wachsen oder auch von Mehltau oder Rotpustel befallene Teile werden entfernt. Generelles Einkürzen der Triebe, was immer noch vielfach durchgeführt wird, löst ein nicht erwünschtes Wachstum aus und führt zu einem dichten Triebende. Auch Jostabeeren können nach diesem Schema behandelt werden, jedoch mit weniger Trieben, da sie stärker wachsen. Schwarze Johannis- und Stachelbeeren tragen schon am einjährigen Holz; hier können bereits 3-jährige Triebe nach der Ernte herausgeschnitten werden. Kulturheidelbeeren wachsen nicht so dicht, was ein Entfernen einzelner Tragruten oft erst nach 5 bis 7 Jahren erfordert.
Stachelbeerstämmchen: eine Auflage schützt vor dem Ausschlitzen der Fruchttriebe
Ausgelichteter Stachelbeerstrauch
Eintriebige Spindel der Stachelbeere Invicta in 50 cm Abstand
Eintriebige Johannisbeeren mit jeweils bereist nachgezogenem Neutrieb zum Austausch nach der Ernte
Johannis- und Stachelbeerstämmchen
« Stachelbeerstämmchen: lange, hängende und nach innen wachsende Triebe müssen jährlich entfernt werden
Bei dieser insbesondere bei Stachelbeeren, aber auch bei Roten Johannisbeeren aus Gründen der Ernteerleichterung beliebten Form, handelt es sich um Kronenveredlungen. Sie werden in 40 bis 50 cm (Fußstämmchen) oder standardmäßig 80 bis100 cm auf einer wuchsstarken Unterlage (meist Ribes aureum, Goldjohannisbeere; teilweise auch auf Josta) durchgeführt. Das Stämmchen muss an einem Stützpfahl angebunden werden. Wildtriebe an der Unterlage werden bei Erscheinen aus- bzw. weggerissen. Damit die fruchttragenden Triebe an der sensiblen Veredlungsstelle nicht ausbrechen, erhält die Krone eine sie stützende Auflage (Lattengerüst; Staudenringhalter).
Der Pflanzschnitt erfolgt wie beim Strauch: 5 bis 7 Haupttriebe werden um die Hälfte eingekürzt, was diese stabilisiert und zugleich die Verzweigung fördert. Diese Haupttriebe, die etwa den „Leitästen“ bei der Rundkronenerziehung von Obstbäumen entsprechen, dürfen nie ganz entfernt werden, sondern bei Rückschnittmaßnahmen sollten 10 bis 15 cm verbleiben. Die aus ihnen hervorgehenden Verzweigungen bilden 6 bis 8 Kronentriebe, die analog dem Strauch bereits nach der Ernte ausgetauscht werden. Das Auslichten muss auch hier großzügig erfolgen. Triebe der im Wuchs schwächeren Stachelbeeren dürfen durchaus etwas eingekürzt werden; auftretende graubraune Mehltauspitzen müssen herausgenommen werden.
Da Stämmchen keine neuen Bodentriebe bilden können, vergreisen sie im Vergleich zu Sträuchern schneller, was nur ein konsequenter jährlicher Schnitt verzögern kann.
« Spindel und Hecken bilden Fruchtwände mit besten Qualitäten
Hecken- oder Spindelerziehung
Bei dieser Erziehungsform von Johannis- und Stachelbeeren, die eintriebig (bevorzugt bei Stachelbeeren) oder als 2- bzw. 3-Asthecke erfolgen kann, wird die ursprünglich mehrtriebige Pflanzware je nach Art auf 1 bis 3 stärkere Äste reduziert. Neben Platzersparnis sind bequeme Ernte, gute Belüftung, bessere Fruchtqualitäten und im Vergleich zu Stämmchen die sortenechte Neutriebbildung aus der Basis entscheidende Vorteile. Allerdings benötigen Hecken ein Drahtgerüst; bei einzelnen Pflanzen gewährleisten Tonkinstäbe die erforderliche Stütze. Bodentriebe müssen schon im Mai ausgerissen werden – außer es verbleiben welche zur Nachzucht neuer Haupttriebe, welche nach 4 Jahren die älteren ablösen.
Die im Abstand von 50 cm gepflanzten Eintrieber werden wie eine pyramidenförmige Spindel erzogen. Um den Wuchs des Mitteltriebes zu fördern, wird er im 1. Jahr mehrmals geheftet, 3 bis 4 Konkurrenzaugen zur Terminalknospe ausgebrochen und die unteren Knospen bis 40 cm Höhe über dem Boden entfernt. Im 2. Jahr werden wieder Konkurrenzknospen an der Spitze ausgebrochen. Außerdem achtet man darauf, dass nur alle 15 bis 20 cm ein Gerüstast verbleibt. Der erste Fruchtansatz sollte zu Gunsten des Höhenwachstums entfernt werden. Im folgenden Jahr werden Seitentriebe auf 20 bis 30 cm eingekürzt und ein Bodentrieb zum Auswechseln nachgezogen. Zwei- und Dreiasthecken haben einen Pflanzabstand von 1 bzw. 1,50 m, sodass zwischen jedem Schenkel 50 cm Abstand eingehalten werden können. Stachelbeeren können auch enger gezogen werden. Nach dem Pflanzen (Hinweis: nicht tiefer, sonst verstärkte Bodentriebbildung!) werden 2 Schenkel an der Basis V-förmig, dann senkrecht hochgeleitet und geheftet. Bei der 3-Asthecke wächst der mittlere Trieb gerade, die beiden äußeren werden zunächst im 45 °-Winkel, ab dem 1. Draht dann senkrecht gezogen. Um vertikal wachsenden „Reitertrieben“ vorzubeugen werden die Knospen an den schräg geleiteten Trieben und der Basis des Mittelastes ausgebrochen.
Zur Förderung der Fruchtqualität werden fruchtende Seitentriebe auf 10 bis 15 cm und zu dicht übereinanderstehende Verzweigungen auf kurze Stummel eingekürzt. Profis belassen nur 8 bis 10 einjährige Seitentriebe pro Schenkel und schneiden diese nach dem Fruchten auf nur 1 cm zurück. So fruchten die im Frühjahr 2019 auf Zapfen geschnittenen und daraus 2019 gebildeten Neutriebe im Sommer 2020. Für regelmäßige Erträge werden die Fruchttriebe die 2019 getragenen haben in 2020 auf 1cm abgeschnitten für den Behang in 2021.
Johannisbeeren als eintriebige Spindel, 2- und 3-Ast-Hecke
Bodentriebe – hier bei 3-Asthecke – werden am besten herausgerissen
3-Asthecke Johannisbeere ‘Rovada‘
Brombeeren und sommertragende Himbeeren
Diese Beerenarten bilden im 1. Jahr neue Ruten, die an einem Drahtrahmen fixiert werden, im folgenden Sommer fruchten, danach absterben und sodann über dem Boden abgeschnitten werden. Der Pflanzabstand beträgt bei Brombeeren mit V-förmig fächerartiger Erziehung etwa 1,5 m, bei Spaliererziehung mit längeren Ranken ca. 3 m. Aus den alle 40 cm gesetzten Himbeerjungpflanzen entstehen in den nächsten Jahren dichte Hecken, bei denen die Tragruten auf 10 bis 12 pro laufendem Meter ausgelichtet und Ausläufer abgestochen werden.
Der Schnitt gestaltet sich somit sehr einfach. Wie bei anderen Obstgehölzen müssen neben zu schwachen stets kranke Ranken herausgenommen werden. Bei Brombeeren achten Sie darauf, dass je 4 bis 5 Trag- und Neuruten verbleiben. Stehen in einem Jahr zu viele, bilden sich im nächsten Jahr wenige, dafür sehr starke neue Ranken, welche anfälliger sind für Risse und Krankheiten. Umgekehrt sollten zu schwache Ruten bevorzugt entnommen werden.
Es empfiehlt sich, an den neuen Brombeerruten Höhenbegrenzungen auf 2 bis 2,25 m und Seitenverzweigungen auf 2 Augen erst ab Anfang September (nicht früher, sonst Neuaustrieb) zurück zu schneiden. Bei den Himbeeren werden zu lange Ruten erst über Winter abgeschnitten.
Die abgestorbenen Brombeerruten (hier V-förmige Erziehung)
werden bodennah abgeschnitten
Brombeerfächer im Abstand 1,5 m mit 4 bzw. 5 in der Höhe
und an den Seitentrieben eingekürzte Tragruten
Sommerhimbeeren, nach der Ernte auf 10 Ruten pro lfm
ausgelichtet
Im Winter auf ca. 2,25 m abgeschnittene Tragruten
sommertragender Himbeeren
Herbsthimbeeren
Sorten wie 'Autumn Bliss', 'Himbo Top', 'Polka' tragen bereits am Neutrieb und werden bevorzugt einjährig kultiviert. Auch sie werden zunächst in 40 cm Abstand gepflanzt. Daraus entwickelt sich ebenfalls eine Hecke, die für gute Früchte am besten einreihig (maximal als schmales Band) gehalten wird und 12 bis 15 Ruten pro laufendem Meter haben sollte.
Ende Februar wird der Bestand komplett über dem Boden abgeschnitten, auf entsprechende Rutenzahl ausgelichtet und Ausläufer abgestochen. Es bilden sich neue Ruten, deren Früchte ab August reifen. Da die Triebe nicht so stark wachsen, kann ein Drahtgeflecht, das von Querjochen gehalten wird, als einfache Stütze dienen. Bei Herbsthimbeeren in einjähriger Kultur kommen die bei den Sommersorten gefürchteten Rutenkrankheiten nicht vor. Wenn Herbstsorten aber wie Sommerhimbeeren, d. h. zweijährig kultiviert werden, kann dieser Schaderregerkomplex auch die Herbstsorten befallen.
Die neu gezüchteten Herbstbrombeeren werden analog behandelt, dabei werden jedoch weniger Ruten pro laufendem Meter belassen.
Die gelben abgetragenen Brombeerranken
werden nun bodennah abgeschnitten;
es verbleiben 4 (grüne) Jungruten
Seitentriebe von Brombeeren können ab September
auf 2 Augen zurückgenommen werden
Herbsthimbeeren in einjähriger Kulturweise mit Drahtgeflecht
zum Stützen der Ruten
Herbsthimbeeren in einjähriger Kultur werden ausgangs
des Winter bodennah abgeschnitten
Details finden Sie unter: https://www.lwg.bayern.de/mam/cms06/gartenakademie/dateien/erziehung_beerenobst_spindel_und_hecke.pdf.
Hubert Siegler,
Bayerische Gartenakademie LWG Veitshöchheim
Diese Artikel sind in den Verbandszeitschriften „Unser Garten“, „Der Hessische Obst- und Gartenbau“ und „Ratgeber für den Gartenliebhaber“ (Januar 2020) erschienen.
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Unser Garten Verlag GmbH, Kulturzentrum Bettinger Mühle, Hüttersdorfer Straße 29, 66389 Schmelz, Telefon 06887 / 90 32 99 9, Telefax 06887 / 90 32 99 8,
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