Herbst

Äpfel und Birnen

in Saarland und Westpfalz

Im Saarland und in der Westpfalz findet man immer noch eine Vielzahl alter Apfel- und Birnensorten. Dies belegt das Projekt „Rambur, Renette, Rotbirn“, das vom Verband der Gartenbauvereine Saarland / Rheinland-Pfalz e.V. mit finanzieller Unterstützung des Ministeriums für Umwelt des Saarlandes und der Saarland-Sporttoto GmbH initiiert und durchgeführt wurde.

Der Pomologe Hans-Thomas Bosch hat in den Jahren 2000 bis 2006 mit Hilfe vieler ehrenamtlicher Helfer aus den Obst- und Gartenbauvereinen sowie aus anderen Organisationen das Sortenspektrum von Äpfeln und Birnen im Saarland und in der Westpfalz untersucht. In mühevoller Kleinarbeit wurden Obstwiesen und Einzelbäume aufgesucht, Fruchtproben gesammelt und soweit möglich bestimmt.
Die Vielfalt der Apfel- und Birnensorten der Region ist nun in einer umfangreichen Broschüre dokumentiert. Insgesamt konnten 453 Apfel- und Birnensorten nachgewiesen werden.

Im Folgenden werden wichtige Ergebnisse der Kartierungsarbeit zusammengefasst.

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‘Kludderbirne’ ist eine lokale Brennbirne des Saar-Nied-Gaus

Sortenzahl

Im Rahmen des Projektes konnten 190 Apfelsorten und 75 Birnensorten sicher bestimmt werden. 117 Apfelsorten und 70 Birnensorten konnten nicht bestimmt werden, was einem Anteil von insgesamt 42 % entspricht. Deutlich mehr als 50 % alter Obstsorten zu bestimmen, ist bereits ein Erfolg und gelingt nur durch überregionale Zusammenarbeit von Sortenkennern.

Mit der Ablösung des bäuerlichen Feldobstbaus (Streuobstbau) durch den spezialisierten Plantagenobstbau ging eine starke Reduzierung der Sortenzahl einher. Bereits um 1900 wurden nur noch etwa 100 Apfel- und Birnensorten für den Anbau empfohlen. Schon damals eine deutliche Einschränkung, wenn man bedenkt, dass 1889 erstaunliche 3000 Apfel- und 2500 Birnensorten im deutschsprachigen Raum pomologisch beschrieben und bekannt waren. Tatsächlich wird die Sortenzahl noch höher gewesen sein, da es immer einige Sorten mit örtlich stark begrenzter Verbreitung (Lokalsorten) gab. Diese wurden zwar unter einem Sortennamen vermehrt, die Sorten aber weder beschrieben noch publiziert. Die Erfassung zeigt, dass dies auch im Gebiet des heutigen Saarlandes und der Westpfalz der Fall war. Vor diesem Hintergrund überraschen 452 kartierte Sorten nicht mehr so sehr. Betrachtet man dagegen das heutige, auf 30 Apfel- und Birnensorten reduzierte Sortiment des Fruchthandels, wird der starke Verlust erst richtig deutlich.

Gründe der Sortenvielfalt

Im Kartierungsgebiet wurden nur wenige Streuobstwiesen zu Intensivanlagen umgewandelt. Die traditionellen Sorten der Obstwiesen blieben deshalb zum großen Teil erhalten. Allerdings ist die Sortenvielfalt durch den allgemeinen Rückgang der Obstwiesen sowie mangelnde Pflege der Bäume stark gefährdet.
Die Hänge oder die Gaulandschaften des lothringischen Schichtstufenlandes ebenso wie die Hügel des Saar-Nahe-Berglandes blieben in unterschiedlicher Weise dem extensiven Hochstammobstbau vorbehalten. Wo sich dieser als Selbstversorgerobstbau erhalten hat, finden sich vielfältige regional und lokal geprägte Sortimente mit einem hohen Anteil an Wirtschaftssorten.

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Die ‘Kariser’ gehört zum lokalen Birnensortiment

Regionaltypische Sorten

Das zentrale Anliegen des Verbandes der Gartenbauvereine Saarland / Rheinland-Pfalz e.V. war es, Sorten zu erfassen, die die Obstkultur der Region charakterisieren. Dies sind vor allem die Lokalsorten (bisher nur innerhalb des Verbandsgebietes nachgewiesen) und die Regionalsorten (vorwiegend im Raum Saar-Mosel-Pfalz verbreitet).

Insgesamt wurden fünf lokale Apfel- und sieben lokale Birnensorten erfasst. Es ist ein großer Erfolg des Projektes, Birnensorten wie ‘Kludderbirne’, ‘Kariser’ und ‘Teiterbirne’ oder Apfelsorten wie ‘Judenapfel’, ‘Duddeljung’ und ‘Grasblümchen’ als Lokalsorten zugeordnet und zum ersten Mal überhaupt ausführlich dokumentiert zu haben. Trotz ihrer langen Anbautradition und wirtschaftlichen Bedeutung wurden sie von der Fachwelt kaum wahrgenommen und selten beschrieben. Mit ‘Brills Sämling’ konnte die einzige bisher nachweislich im Saarland gezüchtete Sorte dokumentiert werden. Sie entstand um 1930 in der Baumschule Brill in Schiffweiler (Kreis Neunkirchen). Weitere Lokalsorten sind ‘Seitersbirne’, ‘Wilwerbirne’, ‘Gelbe Koresser’, ‘Wallebirn’ und ‘Herrgottsapfel’.

Fünf Apfel- und zwei Birnensorten wurden als Regionalsorten eingestuft: ‘Erbachhofer Weinapfel’, ‘Mosel-Eisenapfel’, ‘Porzenapfel’, ‘Weißer Trierer Weinapfel’, ‘Wiesenapfel’, ‘Pleiner Mostbirne’ (Mosel-Trankbirne) und ‘Veldenzerbirne’.

Das regionaltypische Sortiment weist einen hohen Anteil an Wirtschaftssorten auf. Die Verarbeitung zu Viez (Apfelwein) und Obstbränden stehen dabei im Vordergrund. Bei der Verarbeitung hatte die Nutzung der Birne traditionell Vorrang.

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‘Roter Belle fleur’ mit 270 cm Stammumfang

Dies zeigt sich am Beispiel der am häufigsten vorkommenden Birnensorten. Von 20 Sorten sind 10 speziell zum Mosten oder Brennen geeignet, bei den Apfelsorten sind es nur 3 der 20 häufigsten.

Der Most- und Brennbirnenanbau hat seine Schwerpunkte in den streuobstreichen Naturräumen des Mosel-Saar-Gaus und des Saar-Nied-Gaus. Hier finden sich einzelne geschlossene Bestände oder Alleen aus Wirtschaftsbirnen, z.B. der Lokalsorte ‘Kludderbirne’. Sämtliche Regional- und alle lokalen Birnensorten sind vorwiegend Wirtschaftssorten. Dagegen sind die lokalen Apfelsorten bis auf den ‘Herrgottsapfel’ (Lokalsorte der Westpfalz) keine speziellen Verwertungsfrüchte; ‘Duddeljung’, ‘Grasblümchen’ und ‘Brills Sämling’ haben auch Tafelqualität.
Bemerkenswert ist, dass das regionale Sortiment nicht durch dieüberregional verbreiteten alten Standardsorten (z.B. ‘Luxemburger Mostbirne’, ‘Sievenicher Mostbirne’, ‘Schweizer Wasserbirne’, ‘Nägelesbirne’) vollständig verdrängt wurde, sondern bei den Birnen im Gegenteil weiterhin bestandsbildend ist. ‘Pleiner Mostbirne’, ‘Kludderbirne’ und ‘Wilwerbirne’ zählen zu den häufigsten Birnensorten der Erfassung, noch vor den überregional häufigen Sorten wie ‘Gräfin von Paris’ oder ‘Köstliche aus Charneu’.

Weitere Sorten sind als regionaltypisch anzusehen, obwohl sie überregional verbreitet und in vielen Obstbauregionen auch häufig sind. Sie unterscheiden das saarland-westpfälzische Sortiment von dem anderer Regionen dadurch, dass sie hier eine besondere Anbaubedeutung erlangt haben.
Dies gilt vor allem für die Apfelsorte ‘Rheinischer Winterrambur’. Sie wurde in der Region im Anbau so stark bevorzugt wie es sonst kaum der Fall sein dürfte. Fast 12 % der erfassten Bäume erwiesen sich als ‘Rheinischer Winterrambur’.

Weitere überregional verbreitete Apfelsorten mit charakteristischer Häufigkeit im Erfassungsgebiet sind ‘Eifeler Rambur’, ‘Luxemburger Triumph’, ‘Luxemburger Renette’, ‘Flandrischer Rambur’, ‘Roter Bellefleur’ (Siebenschläfer) und ‘Roter Trierer Weinapfel’ sowie die Birnensorten ‘Pastorenbirne’ (Wisserbirne) und ‘Trockener Martin’.

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‘Schöner aus Pontoise’ ist ein bis März lagerfähiger Kochapfel

Überregional verbreitete Sorten

Letztlich ging die Entwicklung zur Sortenvereinheitlichung auch am Projektgebiet nicht vorbei, da der Selbstversorger oder Nebenerwerbsobstbauer sich auch schon früher an der Sortenwahl des Erwerbsanbaus orientierte. 89 % der Sorten sind als nicht regionaltypisch einzustufen, viele der im Saarland und der Westpfalz verbreiteten Sorten zählen damit zu den überregional verbreiteten Standardsorten. Hier finden sich die „Klassiker“ unter den alten Sorten wie z.B. ‘Ontario’, ‘Boskoop’, ‘Rheinischer Bohnapfel’, ‘Goldparmäne’, ‘Kaiser Wilhelm’, ‘Rote Sternrenette’, ‘Jakob Lebel’ oder ‘Alexander Lucas’, ‘Boscs Flaschenbirne’, ‘Gellerts Butterbirne’ und ‘Konferenzbirne’.

Abschließend ist zu bemerken, dass das Projekt neben den wertvollen praktischen Resultaten auch ein bedeutendes politisches Ergebnis hat.

Trotz des Verlustes vieler Obstsorten sind wegen der einst existierenden Vielfalt noch viele Sorten erhalten. Erfassungen und Erhaltungsmaßnahmen kommen noch nicht zu spät. Gleichzeitig zeigt das Projekt auch die Gefährdung der genetischen Vielfalt, denn zahlreiche seltene Sorten sind nur noch in Einzelexemplaren als abgängige Altbäume existent.

Nicht nur Sorten gehen verloren, sondern auch die Kenntnis insbesondere der nur regional verbreiteten und historischen Sorten (größte Anbaubedeutung vor 1870). Viele der kartierten Sorten wurden namenlos erfasst. Eine Nachbestimmung anhand der Literatur ist sehr schwierig. Lokalsorten wurden oft gar nicht beschrieben, sondern ihr Name nur mündlich weitergegeben.

Insofern sind die zahlreichen Unbekannten ein bedeutendes regionalgeschichtliches und genetisch vielfältiges Kulturgut. Sie werden daher auch in der Erhaltungsarbeit des Verbandes der Gartenbauvereine Saarland / Rheinland-Pfalz e.V. berücksichtigt. Dass darunter noch Interessantes zu finden ist, zeigt das Beispiel ‘Schöner aus Pontoise’. 2001 im saarländischen Bliesgau als unbekannte Apfelsorte kartiert, konnte diese wenig verbreitete Sorte auf der EuroPomme 2006 in Naumburg (Hessen) bestimmt werden und das Verbandsgebiet um eine weitere Sorte bereichern.

Verband der Gartenbauvereine Saarland / Rheinland-Pfalz e.V.

Dachorganisation der Obst- und Gartenbauvereine im Saarland und in Rheinland-Pfalz. Der Verband der Gartenbauvereine setzt sich für die Erhaltung der Gartenkultur und die Pflege der Kulturlandschaft ein. Er ist ein wichtiger Partner der Freizeitgärtner.

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