Neuere Zwetschensorten
Für den Hausgarten
Noch um 1900 war fast jeder zweite Obstbaum in Süddeutschland ein Pflaumen- oder Zwetschenbaum. Besonders in den Haus- und Hofgärten war die Obstart stark vertreten. In der Zwischenzeit hat die Bedeutung stark abgenommen.
Die Obstart hat ein negatives Images bekommen, so liegt der Verzehr pro Person und Jahr in Deutschland gerade mal bei 1,2 kg. Das schlechte Image kommt unter anderem daher, dass die Früchte, die man in den Läden kaufen kann, meist nicht schmecken. Dies hängt da- mit zusammen, dass die Früchte meist unreif geerntet werden. Der Handel legt Wert auf „frische Früchte“, denn die Haltbarkeit ist entscheidend. Die Früchte müssen im Regal gut aussehen, der Geschmack spielt eine weit geringere Rolle. Die meisten Leute wissen deshalb heute nicht mehr, wie gut Pflaumen und Zwetschen schmecken. Dies sollte ein Anreiz für die Pflanzung eines Baumes im eigenen Garten sein. Vor allem auch deshalb, weil es ist in der Zwischenzeit neue Sorten mit hervorragendem Geschmack gibt. Zwetschenbäume haben durch ihre schöne weiße Blüte auch einen hohen Zierwert.
Die meisten Leute kennen heute auch den Unterschied zwischen Pflaumen und Zwetschen nicht mehr. Grundsätzlich werden Sorten mit runden Früchten als Pflaumen bezeichnet, die in der Regel auch früher reifen als die länglichen Zwetschen. Pflaumen schmecken süßlich, obwohl der Zuckergehalt in der Regel deutlich niedriger als bei Zwetschen ist. Sie werden auch schnell weich und sind wässrig. Zwetschen haben ein festeres Fruchtfleisch, schmecken würzig und haben einen deutlich höheren Zucker- wie auch Säuregehalt. Pflaumen sind damit weniger wert, was sich auch schon in dem Ausdruck „ Du Pflaume“ zeigt.
Pflaumen und Zwetschen schmecken nicht nur gut, sie sind auch sehr gesund. Schon vor über 2000 Jahren schrieb Marcus M. Martial: „Nimm Pflaumen bei des Alters morscher Last, denn sie lösen den hartgespannten Bauch.“ Später dann stellte der belgische Obsthistoriker Vandommelen fest: „Pflaumen sind gegen jegliche Art von Verspannung und spenden Wohlsein“. Wissenschaftler haben heute 216 verschiedene Stoffe entdeckt, die positiv auf die Gesundheit wirken. Verdauungsfördernd wirken die in der Frucht enthaltenen Pektine sowie Sorbit, B-Vitamine und Zink sind gegen Nervosität und Stress. Vitamin K, Bor und das günstige Ca/P Verhältnis wirken gegen Osteoporose. Pflaumen und Zwetschen haben von allen Obstarten auch die höchsten Mengen an sekundären Pflanzeninhaltstoffen, deren Wert erst in jüngerer Zeit entdeckt wurde. Sie fangen die freien Radikale ab und beugen Krebs und Herzinfarkt vor.
Pflaumen und Zwetschen gibt es in vielen Farben, Formen und Größen. Sie reifen zwischen Ende Juni bis Mitte Oktober. Die Früchte werden bei uns vor allem zu Kuchen verarbeitet, spielen aber auch als Dessert und Frischobst eine Rolle.
« Blühender Zwetschenast
Züchtungsarbeiten
Neue Sorten gewinnt man durch die Züchtung. Obwohl der Anbau in Deutschland schon immer eine große Rolle spielte, wurde die Obstart sehr lange nicht züchterisch bearbeitet. Erst im Jahr 1980 wurde an der Universität Hohenheim mit dieser Arbeit begonnen. Bevor gezielte Kreuzungsarbeiten durchgeführt werden, ist es notwendig, die Zuchtziele festzulegen. Entsprechend den Zuchtzielen erfolgt dann die Auswahl der Eltern. In den Hohenheimer Züchtungsarbeiten hatten folgende Merkmale Priorität:
- Ausdehnung der Reifezeiten
- Bessere Kombination von Ertrag und Fruchtqualität
- Erhöhung der Fruchtqualität, insbesondere des Geschmacks
- Resistenzzüchtung, hier vor allem gegen die Scharkakrankheit
Die Hohenheimer Zwetschenzüchtung wird weltweit beachtet und ist in Bezug auf Scharkaresistenzzüchtung auch führend. Bisher wurden 14 Sorten herausgebracht. Einige davon sind schon Standartsorten, wie z.B. 'Hanita', 'Katinka', 'Elena', 'Presenta' oder auch die scharkaresistente 'Jojo'. Bei der Vielzahl von verfügbaren Sorten fragt man sich, ob überhaupt noch neue Sorten benötigt werden. Die Antwort lautet: Eine neue Sorte ist immer dann angebracht, wenn sie den vorhandenen in einem oder gar mehreren Merkmalen überlegen ist. Die Entwicklung bringt es mit sich, dass viele alte und früher auch bewährte Sorten, gegenüber den neuen Sorten keine Chance mehr haben. Die bekannteste Sorte ist die 'Hauszwetsche', geschmacklich gut aber in vielen anderen Merkmalen den neuen Sorten nicht gewachsen. Die Sorte kommt viel zu spät in Ertrag, ist extrem scharkaanfällig und wie sich in den letzten Jahren zeigte, neigt sie auch sehr stark zu Hitzeschäden. Auch die bekannte 'Bühler Frühzwetsche' kommt zu spät in Ertrag, welcher Anbauer will heute noch 8 bis 10 Jahre auf den ersten Vollertrag warten, wenn dieser bei neuen Sorten schon im dritten oder vierten Jahr erreicht wird.
« Juna‘ im Vergleich zu ‘Ruth Gerstetter‘
Juna
Die Sorte ging aus einer Kreu- zung von 'Katinka' x 'Zwintschers Frühe' im Jahr 1998 hervor. Sie beeindruckte durch frühen Ertragseintritt und durch die Frühreife, verbunden mit einer guten Fruchtqualität. 'Juna' kann mit, meist aber 3 bis 4 Tage vor ‚Ruth Gerstetter‘ geerntet werden. Die Sorte bringt hohe und vor allem konstante Erträge, was bei 'Ruth Gerstetter' nicht zutrifft.
'Juna' hat bei einem Fruchtgewicht von bis zu 25 g einen Durchmesser von 30 bis 34 mm, dies entspricht einer großen 'Hauszwetsche'. Da die Sorte als erste Zwetsche reif wird, spielt die Fruchtgröße nur eine untergeordnete Rolle, immerhin übertrifft sie in der Größe die herkömmliche 'Hauszwetsche'. Von zunehmender Bedeutung ist auch die Hitzere- sistenz der Sorte. So zeigte sie im Jahr 2010 nach einer Hitzeperiode von Temperaturen bis 36 °C keinerlei Schäden, während viele andere Sorten, auch unreif, stark geschädigt wurden. Ein zunehmendes Problem sind Kavernen und Gummifluß der Früchte. Bei 'Juna' treten solche Symptome nicht auf. Die Sorte 'Juna' hat einen mittelstarken Wuchs und ist problemlos zu erziehen.
'Juna' ist die am frühesten reifende Sorte am Markt, mit festem Fruchtfleisch, gutem Geschmack und sehr guter Steinablösbarkeit. Die Sorte eignet sich auf Grund des guten Geschmacks sehr gut zum Fischverzehr. Auf Grund der inneren Eigenschaften ist 'Juna' auch bestens als Kuchenbelag geeignet, da sie relativ trocken bäckt.
Die selbstfruchtbare ‚Juna‘ bringt mit ihren Eigenschaften eine deutliche Verbesserung im Zwetschen-Frühsortiment.
Tegera
'Tegera' ist eine Schwestersorte der bekannten 'Katinka', hat ähnliche Fruchteigenschaften, reift aber 1 bis 2 Wochen später und ist deutlich größer. Je nach Lage und Jahr kann sie Mitte Juli bis Anfang August geerntet werden. Diese gut schmeckende Sorte kann die Problemsorte 'Ersinger' ersetzen. Sie hat eine deutlich bessere Färbung, reift einheitlicher und was ganz entscheidend ist, sie hat ein deutlich festeres Fruchtfleisch und ist wesentlich weniger fäulnisanfällig.
Der Fruchtdurchmesser von 'Tegera' unterscheidet sich nicht von der ‚Ersinger‘ und liegt zwischen 34 und 38 mm, bei einem Fruchtgewicht von 30 bis 40 g. Da das Fruchtfleisch hervorragend vom Stein löst, eignet sich die Sorte besonders gut als Backzwetsche. Durch den harmonischen Geschmack und den relativ niedrigen Säuregehalt ist sie aber auch sehr gut zum Frischverzehr geeignet. Die selbstfruchtbare 'Tegera' blüht mittelfrüh, zusammen mit 'Hanita'. Sie kommt früh in Ertrag und bringt hohe gleichmäßige Ernten.
« ‘Tegera‘
Gelbe Zwetschensorten
Man erwartet von einer Zwetsche, dass sie eine schöne dunkelblaue Farbe hat, denn diese Farbe ist untrennbar mit dieser Frucht verbunden, obwohl es schon seit Hunderten von Jahren andersfarbige Sorten gibt. Bevorzugt werden dabei Sorten mit gelben Früchten. Diese sind nicht nur deshalb interessant, weil sie einen besonders guten Geschmack haben, sondern auch wegen ihrer Genetik. Wenn man blaue Zwetschen mit blauen Zwetschen kreuzt, ergibt das nicht nur blaue Sorten sondern es können zum Beispiel Sorten mit gelber Fruchtfarbe entstehen. Kreuzt man aber gelbe Sorten mit gelben, so ergibt das immer eine gelbe Fruchtfarbe.
'Tipala'
Die selbstfruchtbare Sorte reift Mitte August. Sie hat relativ große Früchte mit einem Fruchtgewicht von 40 bis 50 g, die auf der Sonnenseite leicht rötlich gefärbt sind. Sie schmeckt recht gut und erinnert an Aprikosen. Sie sollte aber nicht in Spätfrostlagen gepflanzt werden, da sie relativ früh blüht. In Jahren mit hohem Ertrag sollten die Früchte ausgedünnt werden, nur dann entwickelt sich der sortentypische Geschmack.
'Colora'
Wie der Name schon erkennen lässt hat die Sorte verschiedene Farben. Die Grundfarbe ist gelb, ein Teil der Frucht ist aber auch grünlich und rot. Die Trikolorefrucht, die teilweise selbstfruchtbar ist, wiegt zwischen 39 und 49 g. Sie kann Mitte bis Ende August geerntet werden und hat einen sehr angenehmen Geschmack.
« ‘Colora‘
'Emmi'
Die Sorte 'Emmi' ist noch ganz jung. Die ersten Bäume können erst ab Herbst 2013 gekauft werden. Die Sorte entstand aus einer Kreuzung von 'Verity' mit 'President' an der Universität Hohenheim. Die grüngelbe Frucht hat orange angehauchte Backen und wird Ende September reif. Die ovalen Früchte sind mit 40 bis 70 g groß bis sehr groß. Sie haben ein festes Fruchtfleisch, das gut vom Stein löst. Die Früchte haben einen süßen, reneklodenartigen, sehr guten Geschmack. Der Zuckergehalt der Früchte ist mit 90 bis 124° Öchsle sehr hoch. Die Sorte ist selbstfruchtbar, bringt mittlere bis hohe Erträge und ist wenig anfällig für Krankheiten. Sie eignet sich besonders zum Frischverzehr und als Dessert aber auch als Kuchenbelag.
'Haroma'
Die großen Scharkaprobleme der 'Hauszwetsche', sowie ihre Anfälligkeit gegenüber Hitzeschäden, wurde schon erwähnt. An die Stelle dieser Sorte kann 'Haroma' treten, die scharktolerant ist und keine Hitzeschäden bekommt.
Die blau gefärbten Früchte haben eine schöne hellblaue Bereifung. Sie können Mitte August bis Mitte September geerntet werden. Die Früchte haben einen Durchmesser von 34 bis 40 mm bei einem Gewicht von 30 bis 40 g. Besonders auffällig ist das goldgelbe Fruchtfleisch, das gut vom Stein löst und sehr geschmackvoll und aromatisch ist. Die Sorte eignet sich hervorragend zum Frischverzehr aber ebenso gut als Backzwetsche oder für andere Zwecke. Die selbstfruchtbare Sorte blüht früh bis mittelfrüh. 'Haroma' setzt früh mit dem Ertrag ein. Im Jahr nach der Pflanzung sind schon Baumerträge von 4 bis 6 kg möglich, die im Folgejahr auf 16 bis 20 kg steigen. Der Ertrag ist im Durchschnitt hoch bis sehr hoch. Wie bei allen reich tragenden Sorten sollte bei hohem Fruchtansatz unbedingt eine Ausdünnung durchgeführt werden, nur dann bekommt die Frucht ihren sortentypischen Geschmack.
Die Sorte hat sehr positive Wuchseigenschaften, wie gute Verzweigung und flache Astabgänge. Hervorzuheben ist auch der relativ schwache Wuchs. Sie eignet sich deshalb für alle Erziehungsarten und so auch besonders für kleinere Gärten.
Als scharkatolerante Sorte kann 'Haroma' für den Anbau im Hausgarten für alle Anbaugebiete empfohlen werden.
« ‘Haroma‘
'Harbella'
Die Sorte ist im Jahr 1993 aus einer Kreuzung des Zuchtklons 'Ortenauer' x 'Stanley 34' mit 'Ha- nita', entstand. Die länglich ovalen, dunkelblauen Früchte sind stark bereift. Sie sind mit einem Durchmesser von 32 bis 36 mm und einem Gewicht von 30 bis 40 g mittelgroß und reifen Anfang bis Ende September.
'Harbella' löst gut vom festen Fruchtfleisch und schmeckt, bedingt durch hohen Zucker- wie auch Säuregehalt, sehr gut. Die selbstfruchtbare Sorte blüht mittelfrüh und kommt sehr früh in Ertrag. So können schon im Jahr nach der Pflanzung bis zu 8 kg und im Folgejahr 12 bis 15 kg pro Baum geerntet werde. Bei zu hohem Behang ist eine Ausdünnung ratsam.
'Harbella' wächst mittelstark mit guter Verzweigung und flachem Astabgang und zeichnet sich auch durch gesunde, dunkelgrüne Blätter aus. Sie ist eine Sorte für alle, die hohe Ansprüche an den Geschmack stellen. Da die Sorte über einen längeren Zeitraum reift, eignet sie sich ideal für den Hausgarten.
'Haganta'
Die Sorte 'Haganta' entstand 1985 aus einer Kreuzung von 'Cacaks Beste' mit 'Valor'. 'Haganta' beeindruckt durch ihre großen Früchte und durch ihren sehr guten Geschmack.
Die Sorte eignet sich für den Erwerbs- wie auch für den Liebhaberanbau. Die dunkelblauen Früchte sind stark bereift. Sie haben einen Durchmesser von 42 bis 44 mm und wiegen zwischen 60 und 100 g und der Stein löst gut vom goldgelben Fruchtfleisch. Sie eignen sich auf Grund des guten Geschmacks und des ausgewogenen Zucker- Säureverhältnis besonders für den Frischverzehr. Der Erntezeitpunkt liegt zwischen Anfang und Mitte September.
Die teilweise selbstfruchtbare Sorte blüht mittelfrüh, kommt früh in Ertrag und bringt in der Regel hohe Ernten. Die Sorte zeichnet sich durch ein gesundes dunkelgrünes Laub aus und wächst am Anfang relativ stark. Mit zunehmendem Ertrag wird der Wuchs deutlich schwächer, so dass die Sorte als nur mittelstark wachsend eingestuft werden kann. Durch waagrechten Astabgang und gute Verzweigung lässt sich ‚Haganta‘ leicht erziehen.
« ‘Tipala‘
Zwetschensorten für den Hausgarten
Sorte | Ernte | Ertrag (1-9) | Gewicht in g | Grad Öchsle | Geschmack |
---|---|---|---|---|---|
Juna | E 6–M 7 | 7-8 | 23-25 | 55-65 | gut bis sehr gut |
Tegera | M 7–A 8 | 7 | 30-40 | 65-80 | gut |
Tipala | M8 | 5-8 | 40-50 | 60-75 | gut bis sehr gut |
Colora | M-E 8 | 7 | 40-50 | 65-80 | gut bis sehr gut |
Emmi | E9 | 7 | 40-70 | 90-120 | sehr gut |
Haroma | A–M 9 | 7-8 | 30-40 | 75-85 | sehr gut |
Harbella | M9 | 7-8 | 30-40 | 80-100 | hervorragend |
Haganta | M-E 9 | 7-8 | 60-100 | 75-85 | sehr gut |
Dr. Walter Hartmann
Quelle:
Dieser Artikel ist in den Verbandszeitschriften „Unser Garten“, „Der Hessische Obst- und Gartenbau“ und „Ratgeber für den Gartenliebhaber“ (06/2013) erschienen. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Unser Garten Verlag GmbH, Kulturzentrum Bettinger Mühle, Hüttersdorfer Straße 29, 66389 Schmelz, Telefon 06887 / 90 32 99 9, Telefax 06887 / 90 32 99 8,
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